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Ärzte-Zeitung – TV-Kritik: Auf eigenes Risiko

ZDF, April 1990, 20.15 Uhr, 45 Min -nominiert für den Grimme Preis-

Ärzte-Zeitung 17.5.90

TV-Kritik/ZDF-Reportage „Auf eigenes Risiko“

Über die schädlichen Praktiken bei Arzneimittelversuchen an ahnungslosen Menschen berichtete Silvia Matthies in ihrer filmischen Reportage am Dienstagabend (ZDF). Vorrangig am Beispiel einer leidvoll geprüften Patientin wurde das offensichtlich verantwortungslose Handeln einer Ärztin dokumentiert und von der Filmemacherin als Weißkittel-Kriminalität angeprangert. Ein schwerwiegender Vorwurf, der auch durch die schleppende Ermittlung der Staatsanwaltschaft nicht entkräftet wurde, obwohl die zuständige Ermittlungsbehörde ihre Untersuchung schließlich einstellte.

Engagiert aber sauber recherchiert versuchte die Reporterin die Geschichte der 57jährigen Anna Schletzbaum aufzuhellen, die ein in der Erprobung befindliches Antireuhmatikum verordnet bekam, aber weder über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt wurde noch gar eine Einverständniserklärung unterschreiben musste. Viel zu spät wurde „das grausame Medikament“ (O-Ton Schletzbaum) abgesetzt, und die Patienten musste mit einem akuten Leberversagen ins Klinikum Großhadern eingeliefert werden, wo schließlich eine Lebertransplantation vorgenommen werden musste. Ein Jahr lang wurde sie künstlich beatmet, heute ist die Patientin an den Rollstuhl gefesselt.

Wer trägt die Schuld? Die Verdachtsmomente gegen die Ärztin, die zu keiner Stellungnahme bereit war, sind gravierend. Ohne strenge Überwachung und ohne gründliche Aufklärung verabreichte sie ein Prüfpräparat, das schließlich vom Hersteller wegen Leberschädigungen zurückgezogen wurde. Handelte die Ärztin fahrlässig? Aus Willfährigkeit gegenüber dem mit der Arzneimittelprüfung beauftragten Institut oder gar aus Geldgier- für 17 Patienten erhielt sie ein Prüfhonorar von 34.000 DM?

Trotz aller vorangegangenen Tests an Tieren, kranken und gesunden Probanden zeigen sich seltene und oft schwerwiegende Nebenwirkungen erst bei einer genügend hohen Fallzahl. Umso wichtiger, dass in dieser Prüfphase so gewissenhaft und vorsichtig wie möglich vorgegangen wird. Hier sind besonders die beteiligten Prüfärzte gefordert. Schwarze Schafe gibt es überall, wie auch in einem weiteren Fall belegt wurde. Diese müssen schonungslos aufgespürt werden, bevor Patienten unwiderruflich schaden erleiden, besonders bevor die Ärzteschaft und die Pharmaindustrie zu Unrecht in Misskredit geraten.
Dieter Eschenbach

Eine Kopie der Kritik, wie sie in der Zeitung erschienen ist, liegt vor und kann gerne per E-Mail bei Silvia Matthies angefordert werden.