Silvia Matthies
Fernsehjournalistin
Mittelbayerische Zeitung Regensburg 20. April 1989
Kritisch gesehen
Makabre Entwicklung
Vor einigen Jahren ist im deutschen Fernsehen ein aufregender Thriller gelaufen, in dem geschildert wurde, wie Menschen gejagt und eingefangen wurden, denen man dann die Organe entnahm, um sie an reiche Patienten zu verscherbeln. Das war damals Science Fiction in höchster Potenz. Heute hat die Wirklichkeit die Fantasie wieder einmal eingeholt, ja überholt. Was Silvia Matthies in ihrer sehr gründlich recherchierten Reportage „Ersatzteillager Mensch“ am Dienstag im ZDF über die bereits etablierte internationale Organ-Mafia zu berichten wusste, war dazu angetan, das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Hier wird die Not junger Menschen in der Dritten Welt skrupellos ausgenutzt, sie geben für Geld ihre Niere, ihre Gesundheit, ja oft ihr Leben hin. Das Schlimmste dabei ist aber, dass die Ganoven sich in einem rechtsfreien Raum bewegen, denn die Gesetzgeber hinken überall der rasanten Entwicklung hinterher, die von den Fortschritten der Transplantationsmedizin eingeleitet wurde.
In diesem Zusammenhang war die Autorin auch in Deutschland Gerüchten nachgegangen, die etwas von einem Handel mit abgetriebenen Föten wissen wollten. Auch das erwies sich als wahr, denn mit dem Gewebe von Ungeborenen lässt sich medizinisch einiges anfangen. Der Justiz und der Executive sind aber die Hände gebunden, denn solcher Handel ist bislang nicht verboten und die ethische Hemmschwelle scheint bei manchen Leuten recht niedrig zu liegen. Für die Politiker aller Couleurs besteht also ein riesiger Nachholbedarf um hier makabren Entwicklungen endlich einen Riegel vorzuschieben.
pk